Die Moderatorin des Abends, Journalistin Anke Bruns, startete die Podiumsdiskussion in der Offenen Jazz Haus Schule mit einer überraschenden Aufforderung: „Lassen wir heute einmal den Wahlkampf beiseite. Überlegen wir gemeinsam, wie wir die Kulturelle Bildung in Köln sichern und stärken können.“ Trotz Einigkeit beim Ziel gab es bei den Vertreter*innen der Parteien verschiedene Blickwinkel und Herangehensweisen, und so ganz ohne Wahlkampf funktionierte die Diskussion zwei Wochen vor der Kommunalwahl dann doch nicht.
Die Offene Jazz Haus Schule hatte die Grünen, SPD, CDU, FDP, die Linke und VOLT zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Kulturelle Bildung in Köln eingeladen. Joscha Oetz, Leiter der OJHS, begrüßte die Anwesenden, neben den Diskutant*innen insbesondere auch Christoph Horstkotte, Sprecher der kulturpädagogischen Einrichtungen in Köln, sowie Rainer Linke, Vorsitzender der OJHS und langjähriger Leiter. Gestiegene Kosten einerseits, schrumpfende Förderungen andererseits, dazu das sogenannte Herrenberg-Urteil und seine Auswirkungen – es gibt aktuell einige Themen, die wie ein Damoklesschwert über den Einrichtungen hängen. Und Christoph Horstkotte brachte es auf den Punkt: „Ich leite die Kölner Spielewerkstatt seit 30 Jahren. Und in jedem Jahr weiß ich im Januar noch nicht, wie ich sie bis Ende Dezember finanziert bekomme.“
Die rund zweistündige Diskussion mit den Politiker*innen unter Beteiligung des Publikums zeigte, dass alle Parteien die Kulturelle Bildung in Köln strukturell sichern und finanziell stärken wollen.
Was die einzelnen Politiker*innen sagten, haben wir hier zusammengefasst:
Brigitta von Bülow, kulturpolitische Sprecherin der Grünen, bemerkte, dass es in Köln bereits viele tolle Angebote gibt, und verwies auf einen Antrag der Grünen im letzten Kulturausschuss, Mittel für eine Homepage bereitzustellen, wo sich die Kölner*innen über alle Angebote der Kulturellen Bildung in ihrer Stadt informieren können. Mit Blick auf den städtischen Haushalt erklärte sie, dass bei einer Haushaltssicherung plötzlich alles zur Debatte stünde. Darum plädierte sie dafür, sich nur realistische Ziele zu setzen. Die Erträge aus der Kulturförderabgabe stünden nicht nur der Kultur zu, sie würden beispielsweise auch für Maßnahmen der Stadtverschönerung genutzt. Dennoch forderte sie, dass mehr Geld ins System müsse, um die Einrichtungen der Kulturellen Bildung in Köln zukunftssicher zu machen. Bei der Bezahlung der Dozierenden wünschte sie sich eine Gleichbehandlung im Vergleich zu städtischen Einrichtungen. Es sei jedoch wichtig, auch bei knapperen Mitteln die Einrichtungen nicht gegeneinander auszuspielen. Sie forderte eine engere Zusammenarbeit der Dezernate 4 und 7.
Maria Helmis, kulturpolitische Sprecherin der SPD, merkte an, dass die Sichtbarkeit der Einrichtungen nicht das Problem sei. Vielmehr gäbe es strukturelle Probleme, denn sowohl politisch als auch in der Verwaltung hänge die Kulturelle Bildung zwischen den Stühlen: Kultur, Schule, Jugend, Soziales – alle seien ein bisschen, aber keiner so richtig zuständig. Sie bemängelte auch, dass die Verwaltung die Einrichtungen bei der Einbringung des Haushalts so lange im Unklaren gelassen hätte, welche Kürzungen zu erwarten seien. Sie betrachtete die Vorgehensweise des grün-schwarzen Haushaltsbündnisses als ambitionslos, denn man verstecke sich hinter der Kulturförderabgabe in Höhe von „nur“ 25 Mio. Sie verwies darauf, dass nicht alle Kürzungen zurückgenommen worden seien, nannte als Beispiel die Akademie der Künste, die nun liquidiert werden müsse. Sie forderte fest installierte Haushaltsstellen für die Einrichtungen der Kulturellen Bildung. Mit Blick auf die Honorare für die Dozierenden forderte sie, die Einrichtungen in die Lage zu versetzen, dass sie zumindest die vom Kulturministerium NRW vorgegebenen Mindesthonorare (aktuell 55 € pro Stunde) zahlen könnten. Freiberuflichkeit dürfe nicht Prekariat zur Folge haben, dafür seien ausreichend hohe Honorare von Wichtigkeit. Bezogen auf das Herrenberg-Urteil müsse die Bundespolitik auf das Thema aufmerksam gemacht werden, denn Einrichtungen wie die OJHS benötigten klare Kriterien, wonach Freiberuflichkeit auch weiterhin möglich sei. Es brauche einen Haltungswechsel an der Verwaltungsspitze: Kultur, Bildung und Soziales müssten als Thema vorne stehen.
Lorenz Deutsch, kulturpolitischer Sprecher der FDP, verwies mit Blick auf den Vorschlag einer Homepage für Kulturelle Bildung in Köln auf das bereits bestehende „Musenkuss“, was aber nicht genutzt würde. Für ihn ist Kulturelle Bildung essentiell wichtig, da sie sehr viele Kinder und Jugendliche erreicht, die sonst keinen Zugang zur Kultur haben. Er kritisierte die Vorgehensweise, dass die Erträge aus der Kulturförderabgabe nach Ermessen der tragenden Mehrheitsfraktionen verteilt würden. Eine Festanstellung der Dozierenden sei ein ausdrücklicher Wunsch des Verbands deutscher Musikschulen gewesen, denn es gehe dabei nicht zuletzt um eine soziale Absicherung der Dozierenden und Bekämpfung von Altersarmut. Gleichwohl sei die Freiberuflichkeit von Musik*innen erhaltenswert, und die Möglichkeiten, die die Künstlersozialkasse biete, müssten ausgebaut werden. Kulturelle Bildung habe den großen Vorteil, dass sie breite Bündnisse schaffen könne, denn die Gesellschaft profitiere von diesem Fundament.
Manuel Froh, Ratsmitglied für VOLT, betrachtete das Geld für Kulturelle Bildung auch im Sinne einer Präventionsarbeit als gut angelegt, um nicht später viel höhere Kosten zu haben. Er forderte, dass die Kulturförderabgabe künftig nur für die Kultur verwendet werde. Auch sei es möglich, Bürokratie abzubauen, indem verschiedene kleinere Fördertöpfe zusammengeführt würden. Zur Finanzierung merkte er an, dass es nicht unbedingt immer „neues“ Geld sein müsse. Auch Umverteilungen im städtischen Haushalt wären anzudenken – in diesem Zusammenhang verwies er auf die mögliche Einführung von „Zero-Based Budgeting“, ein Konzept, welches das Budget von Grund auf neu plant statt der üblichen vom aktuell vorhandenen Budget ausgehenden Planung. Es würde aktuell viel Geld „in Beton gesteckt“, was in nachhaltigen Strukturen deutlich besser angelegt wäre.
Knut Scholz, kulturpolitischer Sprecher der Linken, verwies darauf, dass ca. 25% der Kölner*innen von Armut bedroht seien. Viele Menschen könnten sich kulturelle Bildungsarbeit schlichtweg nicht leisten. Darum sei es wichtig, insbesondere die außerschulischen Angebote in den Schulen zu stärken. Für Einrichtungen wie die OJHS sei die Abhängigkeit von jährlichen Förderbudgets ein zu großes Risiko. Er forderte vielmehr eine strukturelle Finanzierung. Auf der Einnahmenseite fordere die Linke im Gegenzug beispielsweise eine Gewerbesteuererhöhung um 50 Punkte und die Einstellung von städtischen Betriebsprüfer*innen. Er plädierte dafür, auch Festanstellungen von Dozierenden zu ermöglichen, aber dennoch die Freiberuflichkeit zu erhalten – bei entsprechend hohen Honoraren. Knut Scholz forderte eine bessere Verzahnung von Jugend, Kultur, Sozialem und Bildung. Es bräuchte gezielte Ansprechpartner*innen an den Schulen, die Kindern kulturelle Angebote vermitteln könnten. Kultur sei ein wichtiger Standortfaktor, und dennoch: Was nützten tolle Kultur-Gebäude, wenn es in 50 Jahren keine Besucher*innen mehr gäbe. Darum müsse die kulturelle Bildung gestärkt werden.
Florian Weber (CDU-Ratsmitglied) nannte die OJHS als ein gutes Beispiel dafür, dass viele Angebote nur durch die stetige Initiative der Mitarbeiter*innen ermöglicht würden. Die Stadt müsse darum diesen Einrichtungen eine planbare Finanzierung an die Hand geben, um nicht jedes Jahr im „Hamsterrad“ der Haushaltsplanberatungen zu stecken. Er berichtete von hohen Verlusten im städtischen Haushalt, und dennoch müsse es möglich sein, Einrichtungen wie die OJHS langfristig zu sichern. Er forderte eine bessere Zugänglichkeit zu Fördertöpfen und eine Entbürokratisierung, vor allem mit Blick auf die vielen Zuständigkeiten seitens der Verwaltung. Er forderte mehr Geld für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, um in der Folge einen größeren finanziellen Spielraum für freiwillige Leistungen zu haben.