Zur Startseite

Instant-Songwriting
Das Schreiben eines Songs mit Grundschulkindern der 3. Klasse (2017)

Publikation als PDF herunterladen

Dieser kurze Artikel dokumentiert das Konzept „Instant Songwriting“ – spontanes Komponieren eines Songs mit einer Gruppe von Drittklässlern. Die Dokumentation fand im Rahmen des Vokallabors an der GGS Stenzelberg, Köln statt.

Rhythmus als Fundament für Kreativität

Rhythmische Sicherheit ist für Kinder häufig ein wichtiger Grundstein, der erfahrungsgemäß sowohl die Intonation erleichtert als auch Spielfreude garantiert. Dieser Absatz beschreibt einige Übungen, die Schüler rhythmisch auf das gemeinsame Schreiben und Erleben eines Songs vorbereiten.

Body Percussion

Die Schüler bekommen einen einfachen Groove vorgegeben, den sie als Body Percussion umsetzen: | Bum Tschak, BumBum Tschak |

In der simplen Ausführung wird mit beiden Händen das „Bum“ mit der Faust (Kleinfingerseite nach unten) und das „Tschak“ mit der offenen Hand jeweils auf den Oberschenkeln gespielt. Um das Bass-lastige „Bum“ klanglich intensiver zu gestalten, kann es mit einer Handfläche auf dem Brustkorb gespielt werden. Das "Tschak" wird mit der anderen Handfläche weiterhin auf dem Oberschenkel gespielt.

Auf die Weise ist der Rhythmus nah am Körper und hebt den Backbeat klanglich hervor, der auch später das rhythmische Fundament des Songs bildet.

Umsetzen von rhythmischen Fill-ins mit dem eigenen Namen

Als kleine Fill-ins1 werden die Namen oder Spitznamen der Kinder (meist nicht länger als drei Silben) benutzt. Es gehen einige Takte Body-Percussion voraus, anschließend wird der Name als rhythmische Figur angehängt. So bekommt jeder Schüler zu seinem Fill-in einen persönlichen Bezug und lernt automatisch, sich in den Rhythmus einzufügen. Als Variationsmöglichkeit muss jedes Kind reihum sein Fill-in alleine spielen. Das bringt eine spielerische Komponente rein.

Beispiel:

2-taktige Form:

| Bum Tschak BumBum Tschak | Bum Tschak - An - na |

| Bum Tschak BumBum Tschak | Bum Tschak - Ste - fan |

 

Finden eines gemeinsamen Tempos

Nachdem die Gruppe ein gemeinsames Groove-Gefühl entwickelt hat, wird ein Tempo gesucht, in dem sich alle wohl fühlen. Dies wird dann das Tempo des Songs, der gemeinsam geschrieben wird. Um es zu ermitteln, dürfen die Schüler verschiedene Tempi einzählen, in denen alle den Body-Percussion-Rhythmus (s. 1a.) spielen. Nach einigen Vorschlägen wird per Abstimmung ein passendes Tempo gewählt und bestimmt.

 

Schreiben von Text und Melodie

 

Ermitteln einer Melodie mithilfe einer einfachen Kadenz

An dieser Stelle wird den Schülern eine Hilfestellung seitens des Lehrers geboten. Es wird in dem vorher festgelegten Tempo eine einfache Kadenz aus 3 – 4 Akkorden gespielt. Begleitend trommeln die Kinder weiterhin ihren Body-Percussion-Groove. Zusätzlich beginnt die Gruppe, den zu der Akkordfolge gehörigen Grundton zu summen und dann schließlich zu singen. Im Optimalfall kommt bei dieser Gelegenheit bereits von den Schülern ein Vorschlag für eine Melodie. Meist bedarf es allerdings einer weiteren Hilfestellung, die im Folgenden geschildert wird.

Schreiben eines Refrains mit Schlagwörtern

Am Wichtigsten für die Motivation der Kinder ist der Refrain. Mit ihm identifizieren sie sich in der Regel am stärksten. Daher sollte prinzipiell beim konkreten Songwriting stets mit diesem Schritt begonnen werden.

Da der Refrain üblicherweise die Hauptaussage eines Songs beinhaltet, muss hier die Handschrift der Kinder deutlich werden. Aus diesem Grund werden die Kinder gefragt, was sie momentan beschäftigt oder was z. B. zurzeit in der Schule passiert.

Eine weitere Möglichkeit ist es, reihum jeden Schüler sein Hobby nennen zu lassen. Meist ergibt sich durch die Konstellation der Gruppe schnell ein gemeinsames Thema. In dem hier beschriebenen Beispiel des Vokallabors an der GGS Stenzelbergstraße war es das Thema „hausaufgabenfrei“.

Zu diesem Zeitpunkt ist die Gruppe bereits „eingegrooved“ und hat sich auf die vorgegebene Kadenz eingestellt. Also wird diese erneut gespielt, und die Schüler können in Stichworten darüber improvisieren.

Es ist erstaunlich zu beobachten, dass hierbei spontan griffige Schlagworte gefunden werden, da die Kinder sich des Rhythmus’ und der Tonart sicher sind und nun ihrer Kreativität freien Lauf lassen können.

Die vorgeschlagenen Themen, Schlagwörter und Melodien werden vom Dozenten spontan eingebunden, und aus ihnen wird dann der Refrain. Durch die direkte eigene Beteiligung empfinden die Kinder den Song als ihr eigenes Werk und arbeiten auch bei den folgenden Punkten konstruktiv mit.

Beispiel „Hallo Leute“

Bei diesem speziellen Fall kam von den Schülern die Idee, den Refrain so zu gestalten, als würde man ihn an ein Publikum richten.

Hallo Leute,

wie geht’s euch heute?

Uns geht’s gut,

uns geht’s gut!

 

Uns geht’s gut,

denn wir haben keine Hausaufgaben,

wir sind völlig aufgeladen!

 

Moves, Bewegungen, Call & Response

Bevor inhaltlich weiter an dem Songtext gearbeitet wird, können einige Bewegungen und Extras eingefügt werden. Das fördert den Spaßfaktor und hilft den Kindern, sich den Text besser einzuprägen.

Call & Response2 anhand des Beispiels „Hallo Leute“

Da in dem hier gezeigten Beispiel die Publikumssituation bereits von der Gruppe vorgegeben war, wurde diese Idee erweitert. Die Gruppe wurde in zwei Parteien aufgeteilt - die erste Partei stand für die Performer, die zweite für das Publikum. Nach einem Durchlauf wurden die Gruppen gewechselt. Durch die Konstellation ergab sich automatisch ein Frage-Antwort-Spiel, das sich wie folgt zusammensetzte:

 

Gruppe 1 (Call)

Hallo Leute,

wie geht’s euch heute?

Uns geht’s gut,

uns geht’s gut!

 

Uns geht’s gut, -

denn wir haben keine Hausaufgaben.

Gruppe 2 (Response)

Hallo Leute,

wie geht’s euch heute

Uns geht’s gut

uns geht’s gut

 

Wieso?

Ach so!

 (Alle unisono:) Wir sind völlig aufgeladen!3

 

Strophen

Auf Basis der Thematik des Refrains wurden gemeinsam einzelne Strophen geschrieben. Dafür teilten sich die Schüler in Kleingruppen ihrer Wahl auf. Als Starthilfe sollte sich jede Gruppe überlegen, weshalb es ihnen gut geht („…uns geht’s gut…“).

Bei dieser Aufgabenstellung zeigten sich weitere Eigenheiten der einzelnen Schüler und ihrer jeweiligen Gruppe. Beispielsweise präsentierte eine sehr lebendige Gruppe ihre Strophe selbständig mit einer kleinen Choreografie.

Beispiel 1

(Erster Schüler:) Mir geht’s gut, weil ich heut zocke!

(Antwort des zweiten Schülers:) Mir geht’s gut, weil ich abrocke!

(Antwort des dritten Schülers:) Mir geht’s gut, wenn ich dich blocke;

(und dann zusammen:) denn wir sitzen in der Hocke!

 

Beispiel 2

Ich sitze hier auf diesem Stuhl mit meiner Kapuze und fühl mich cool.

Mir geht’s gut, denn ich hab ’nen Hut.

(Antwort:) Hut ist gut, doch ich trag lieber ’ne Mütze.

(Antwort:) Mütze ist cool, doch trag lieber ’ne Cap –

(unisono) und das ist unser Mützen-Rap.

 

Beispiel 3

Lora wandert gern und sie wandert viel.

Klara spielt auf dem Klavier.

Laya springt ins Becken und schwimmt sehr viel.

Wir sind Freundinnen – hier.

 

Abschluss-Statement:

Die Kinder werden durch den geschilderten, übersichtlich strukturierten Ablauf langsam und sicher an das „Schreiben“ oder besser Erfinden des Songs herangeführt. Durch die Identifikation mit dem Text und den Bewegungen fällt es ihnen immer leichter, Ideen zu entwickeln und Songstrukturen zu begreifen.

Andreas Klassen, Köln, 07.02.2017

 

Anmerkungen:

1 Der Rhythmus macht eine kurze Pause, entweder spricht/spielt ein Kind hier einen kurzen Einwurf, eine Solo-Phrase, oder es wird gemeinsam eine vorher verabredete Variation verwendet.

2 aus vielen Musiktraditionen bekannt: Wechselgesang Vorsänger - Chor

3 Alle bisher geschilderten Übungen und Abläufe integrieren sich in eine Schulstunde (45 Minuten). Die nun folgenden Punkte bauen auf dieser ersten Stunde auf.

 

veröffentlicht von: Offene Jazz Haus Schule, Rainer Linke

©2019: Offene Jazz Haus Schule, Andreas Klassen

Lektorat: radiX editorial köln

gefördert von:

AK Kultur und Wissenschaft klein