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Jazzhaus Akademie
zwischen Kunst und Pädagogik

Thomas Gläßer

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Dieser Text ist Teil der Festschrift zum 40jährigen Jubiläum der Offenen Jazz Haus Schule im Jahr 2020. Die vollständige Festschrift als PDF-Datei kann hier abgerufen werden.

 

Seit ihrer Gründung im Jahre 1980 entfaltet die Offene Jazz Haus Schule in ihren Kurs- und Workshopangeboten, Projekten und Weiterbildungen eine alternative Philosophie von Musikpädagogik und -vermittlung. Ihre Ansätze, die dem gemeinsamen kreativen Musizieren eine zentrale Stellung einräumen, sind von Handlungswissen und Haltungen aus Jazz, improvisierter und populärer Musik geprägt. Sie haben sich in den zurückliegenden Jahrzehnten einerseits oft als erfolgreich und richtungsweisend, andererseits auch als zunehmend anschlussfähig an den allgemeinen musikpädagogischen Diskurs erwiesen. Dies zeigt sich durch Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, Präsentationen in Fachkreisen kultureller Bildung, Kooperationen mit Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen, das Interesse überregionaler Akteure wie der Landesmusikakademie NRW und des JeKits-Kuratoriums sowie die landesweite Weiterbildungstätigkeit von Dozent*innen der Jazzhausschule. Besondere Stärken der Ansätze der Offenen Jazz Haus Schule liegen in der musikpädagogischen Arbeit mit heterogenen Gruppen, der Betonung kollektiver kreativer Prozesse, der Stimulation des Gestaltungsvermögens, den innovativen inklusiven Ansätzen, dem gemeinsamen Musizieren von Anfang an, der Integration von informellen, non-formalen und autodidaktischen Lernprozessen sowie der musikalisch-ästhetischen und prozessorientierten Offenheit.

Eingebettet in die international ausstrahlende Kölner Szene, entwickelt die Offene Jazz Haus Schule diese Ansätze in Zusammenarbeit mit profilierten Musiker*innen und Musikpädagog*innen aus der improvisierten und populären Musik nicht nur in teilnehmerfinanzierten Angeboten, sondern auch in Projekten der kulturellen Schul- und Stadtteilentwicklung, künstlerisch und soziokulturell geprägten Vorhaben, Kooperationen mit Bildungsträgern wie der Hochschule für Musik und Tanz Köln, der Technischen Hochschule Köln, zahlreichen Grund- und weiterführenden Schulen, der JeKits-Stiftung, der Kölner Jugendhilfe und vielen anderen. Ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal ist dabei die konsequente Übersetzung von Arbeitsweisen, Lernprozessen und künstlerischen Strategien aus Jazz, Pop und improvisierter Musik in verschiedene Handlungsfelder wie Instrumentalunterricht, Ensemblearbeit, Klassenmusizieren, künstlerische Vermittlung oder kulturelle Stadtteilarbeit. Oft fordern die Konzeptionen und Projekte der Offenen Jazz Haus Schule die Settings, in denen sie stattfinden, heraus und setzen innovative Impulse für deren Weiterentwicklung. Gleichzeitig ist die Auseinandersetzung mit pädagogischen Fachexpertisen (z. B. Inklusionspädagogik) ein wichtiger Motor für die Weiterentwicklung der eigenen Arbeitsweisen.

Das stark zunehmende überregionale Interesse hat uns in den letzten Jahren in dem Vorhaben bestärkt, die Konzepte und Potenziale der Arbeit der Offenen Jazz Haus Schule im Rahmen der Jazzhaus Akademie noch gezielter und radikaler zu entfalten, sie konsequenter zu reflektieren und dokumentieren, zur Diskussion zu stellen und beforschen zu lassen sowie in Weiterbildungen und hochschulischen Lehrangeboten weiterzugeben. Unter dem Titel Jazzhaus Akademie werden ab 2020 sowohl bestehende und als auch neue Aktivitäten der Offenen Jazz Haus Schule in den Bereichen Konzeptentwicklung, Weiterbildung und Publikation in einem eigenen Bereich gebündelt. Dazu gehören die Entwicklung und Dokumentation von nachhaltigen Modellprojekten, künstlerisch-pädagogischen Konzepten und Forschungskooperationen ebenso wie strahlkräftige Weiterbildungsangebote, Publikationen und Tagungen. Zwischen der Schaffung kreativer und reflexiver Freiräume für besonders vermittlungs-interessierte Musiker*innen und der professionellen Rahmung und Multiplikation der entstehenden Konzepte soll ein Inkubator für neue Ideen und die professionelle Weiterentwicklung der beteiligten Musiker*innen entstehen, von dem die musikpädagogische Landschaft auch über Köln hinaus profitiert.

Da weder die damit verbundene konzeptionelle und organisatorische Arbeit noch die erforderliche Akquise von Drittmitteln (Land, Bund, Stiftungen, Forschungsmittel) auf der Grundlage kleinteiliger Projektfinanzierungen zu leisten ist, hoffen wir auf die Unterstützung der Stadt Köln und des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Umsetzung dieses Vorhabens. Wesentliche Voraussetzungen für eine tragfähige Weiterentwicklung, Zusammenführung und Stärkung der seit Jahren vorhandenen Ansätze (innovative Konzepte, Dokumentation, Weiterbildung) sind die Schaffung einer entsprechenden Stellen-
struktur (künstlerisch-pädagogische Leitung/Geschäftsführung/Koordination) sowie eine anteilige Grundfinanzierung der mit der Arbeit der Jazzhaus Akademie verbundenen Projekte. Hier hat die Stadt Köln im Bereich kulturelle Schulentwicklung dankenswerterweise bereits erste Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg gebracht.

Profil und Ziele der Jazzhaus Akademie

Die Jazzhaus Akademie entwickelt, dokumentiert und multipliziert die Übersetzung von künstlerischen und pädagogischen Strategien aus Jazz, Pop, improvisierter und experimenteller Musik in verschiedene Handlungsfelder von Pädagogik, Vermittlung und sozialer Arbeit. Die Grundlage für dieses Vorhaben bilden 40 Jahre erfolgreicher Arbeit als kulturpädagogische Facheinrichtung und Träger der freien Jugendhilfe, die enge Zusammenarbeit mit auch international profilierten Musiker*innen und Musikvermittler*innen der vielfältigen Jazz-, Pop- und Improvisations-Szene in Köln und NRW sowie Vernetzung und Austausch mit Schlüsselakteuren wie der Hochschule für Musik und Tanz Köln, dem Europäischen Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik Stadtgarten, dem Landesmusikrat, der LAG Musik, der Landesmusikakademie Heek und der JeKits-Stiftung.
Die Jazzhaus Akademie

  • setzt durch Projekte, Konzeptionen, Weiterbildungen, Tagungen und Publikationen Impulse für eine innovative und kreative Musikvermittlung an der Schnittstelle zwischen Kunst und Pädagogik;
  • 
entwickelt in modellhaften Kooperationen mit Bildungseinrichtungen, soziokulturellen Trägern und Hochschulen die Übersetzung künstlerischer und pädagogischer Strategien aus Jazz und Pop, improvisierter und experimenteller Musik in unterschiedliche Settings und Handlungsfelder (Kindertagesstätten, intergenerationelle Ensembles, inklusive Stadtteilarbeit, experimentelles Klassenmusizieren, kulturelle Schulentwicklung etc.);
  • 
schafft – im Rahmen eines eigenen Workshop- und Weiterbildungsprogramms und in Zusammenarbeit mit Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen – innovative Angebote wie Study Ensembles mit profilierten Musikvermittler*innen, eine Summer School für kreative Musikvermittlung und ein berufsbegleitendes modulares Weiterbildungsprogramm für Musiker*innen und Musikpädagog*innen;
  • 
bietet konzeptionelle Beratung und Weiterbildung für Schulen, Musikschulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie sozialräumliche Träger;
  • 
bildet mit Tagungen, Publikationen und Weiterbildungen eine aktive Schnittstelle zu Institutionen und Hochschulen in Nordrhein-Westfalen sowie zu den nationalen und internationalen Diskursen der Jazz- und Improvisationspädagogik, kulturellen Bildung, kulturellen Schulentwicklung, Community Music und Musikvermittlung.

Aktivitäten der Jazzhaus Akademie

Die Aktivitäten der Jazzhaus Akademie sollen im Einzelnen die synergetisch verknüpften Bereiche Konzeptionelle Entwicklung/Forschungskooperationen, Weiterbildung/Beratung und Dokumentation/Veröffentlichung umfassen.

Konzeptionelle Entwicklung & Forschungskooperationen

Auch wenn die konventionelle Musikpädagogik sich in den letzten 20 Jahren stark geöffnet und stilistisch diversifiziert hat, zeichnet sich die Arbeit der Offenen Jazz Haus Schule in ihrer konsequenten Zusammenarbeit mit einer künstlerisch im Bereich Jazz/Pop/Improvisation aktiven Dozentenschaft durch Prämissen aus, die eine Sonderstellung in der musikpädagogischen Landschaft begründen. Wesentliches Bezugssystem pädagogischen Handelns ist dabei die eigene künstlerisch-ästhetische Praxis der Musiker*innen/Dozent*innen, geprägt u. a. durch die Verschmelzung der Komponist*innen- und Interpret*innenrolle, eine experimentierfreudige ästhetische Offenheit und die Vertrautheit mit kollektiven kreativen Prozessen, ergänzt durch ein in der Regel im Prozess erworbenes kontextspezifisches pädagogisches Handlungswissen.
Diese Konstellation eröffnet alternative Perspektiven auf die Möglichkeiten und Ziele musikpädagogischen Handelns und generiert Fragestellungen und Konzeptionen, die alternative Antworten auf aktuell drängende musikpädagogische Fragestellungen ermöglichen. Zu diesen Herausforderungen zählen u. a. die Arbeit mit heterogenen Gruppen, die Verlagerung von Instrumental- und Ensembleunterricht und anderen musikschulischen Angeboten in allgemeinbildende Schulen (und Offene Ganztage), die Individualisierung, Informalisierung und Digitalisierung von Bildungsprozessen (und musikalischen Horizonten und Möglichkeiten), die Rahmung selbstbestimmter und selbstorganisierter Settings für musikalische (Lern-)Prozesse und die Auflösung kohärenter kultureller Codes, Formationen und Milieus.
Eine wesentliche Aufgabe der Akademie soll es sein, diesen Horizont für die musikpädagogische Bildungs- und Vermittlungslandschaft in Nordrhein-Westfalen auf vielfältige Weise fruchtbar zu machen.

Überblick

  • Konzeptionelle Entwicklung, Begleitung und Auswertung von Projekten, die künstlerische Strategien und Handlungswissen aus Jazz, improvisierter und populärer Musik in Handlungsfeldern wie Musizieren mit heterogenen Gruppen, Klassenmusizieren, Schule, KiTa, kulturelle Bildung, Stadtteilarbeit, Community Music etc. entfalten.
  • 
Konzeptionelle Entwicklung von Vermittlungsprojekten in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik im Stadtgarten sowie der Philharmonie Köln und der Landesmusikakademie Heek.
  • 
Forschungskooperationen mit Hochschulen in den Bereichen Jazz und populäre Musik, Schulmusik, Musikpädagogik und soziale Arbeit.
  • Nächste Schritte: Konzeptionelle (Weiter-)Entwicklung neuer und bestehender Projekte (SPEM – Schulprofil Populäre und Experimentelle Musik, MuProMandi, KlangKörper, Sounds of Buchheim).

Weiterbildung & Beratung

Eine musikpädagogische Praxis, die nicht quasi-curriculare Lern- und Kompetenzziele, sondern ästhetisches Erleben und ästhetische Kommunikation in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt, erfordert Weiterbildungsmodelle, die diesen Schritt ebenfalls gehen. Die Jazzhaus Akademie verbindet in ihrem Weiterbildungsprogramm (und in zu entwickelnden Weiterbildungskooperationen mit verschiedenen Partnern, s. u.) daher die künstlerisch-ästhetische Erfahrung und Reflexion des gemeinsamen Musizierens, die Begegnung und Zusammenarbeit mit profilierten Musiker*innen und Musikvermittler*innen sowie die Vermittlung pädagogischer Konzepte und Methoden.

Das geplante Weiterbildungsprogramm hat drei wesentliche Bausteine:

  • ein berufsbegleitendes modulares Weiterbildungsprogramm mit Zertifizierungsmöglichkeit;
  • Study Ensembles, die – in intensiven Workshop-Phasen und möglichst an verschiedenen Orten in NRW – Multiplikator*innen die Möglichkeit bieten, in Zusammenarbeit mit profilierten Musikvermittler*innen Konzepte zu erproben und zu entwickeln, die sich auch für die pädagogische Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Laien eignen;
  • 
eine Summer School für kreative Musikvermittlung, die experimentelle Ensemblearbeit mit internationalen Gastdozent*innen (z.B. Cordula Bösze/Hans Schneider, Fred Frith, Jean-Paul Bourelly, Sean Gregory/Tim Steiner) mit der Vermittlung und Diskussion pädagogischer und künstlerischer Konzepte sowie der praktischen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Laien verbindet.

Ein Teil der Weiterbildungsangebote knüpft dabei unmittelbar an die Modellprojekte und Forschungskooperationen an.

Darüber hinaus bietet die Akademie konzeptionelle Beratung und Weiterbildungen für Schulen, Musikschulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie sozialräumliche Träger an, die ihr musikalisches Profil und Angebotsspektrum entwickeln wollen.

Überblick

  • Zertifizierung als Weiterbildungs-
einrichtung;
  • 
Ausbau und Differenzierung des laufenden Weiterbildungsprogramms;
  • 
Bewerbung um Mitwirkung an den Weiterbildungsprogrammen der Landesprogramme »Kultur und Schule» und ggf. »JeKits«;
  • 
Weiterbildungsangebote und Beratung für Musiker*innen, Musikvermittler*innen, Lehrer*innen, Musikschullehrer*innen, Musikschulleiter*innen, Schulleiter*innen, Sozialpädagog*innen und Institutionen im Bereich Schule, Musikschule, Soziokultur und Jugendhilfe;
  • 
jährliche Summer School für Musiker*innen und Musikvermittler*innen;
  • 
diskursive Veranstaltungen zu Schlüsselthemen musikalischer und kultureller Bildung;
  • 
Konzeption von Ausbildungsangeboten in Kooperation mit Hochschulen (Pilotprojekte mit der Hochschule für Musik und Tanz Köln und der TH Köln).
  • 
Nächste Schritte: Antrag auf Anerkennung als Bildungswerk; Ausbau und Entwicklung des Weiterbildungsangebots und Aufbau regionaler Kooperationen; erste Summer School.

Dokumentation / Veröffentlichungen / Tagungen

Ein wesentliches Element der Arbeit der Jazzhaus Akademie ist die Dokumentation von Projekten und Konzeptionen, die Veranstaltung von Fachtagungen sowie die Veröffentlichung von Arbeitsergebnissen, diskursiven Beiträgen und Tagungspublikationen.

Überblick

  • Weiterentwicklung der Dokumentation und 
Reflexion von Arbeitsweisen und Projekten;
  • Veröffentlichung besonders interessanter Ergebnisse und operationalisierbarer Arbeitsansätze und Methoden;
  • 
Tagungen zu Fachthemen aus den Handlungsfeldern der Offenen Jazz Haus Schule, u. a. in Anknüpfung an die Tagung »Kultur der Schule – Schule der Kultur« in Kooperation mit der TH Köln und der Rheinischen Musikschule.
  • 
Nächste Schritte: digitale Kompilation wichtiger Veröffentlichungen und Projektdokumentationen der Offenen Jazz Haus Schule; erste Tagung im Herbst 2021; Veröffentlichung zur ersten Tagung im Jahr 2022.

Thomas Gläßer

lebt und arbeitet als Musiker und freier Kurator diverser musikalischer und kultureller Projekte in Köln und Berlin. Er konzipiert und koordiniert die modellhaften Schulentwicklungsprojekte »Grundschule mit Musikprofil Improvisierte und Neue Musik« und »KlangKörper« der Offenen Jazz Haus Schule und leitet den Akademie-Bereich der OJHS.