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Interaktives Konzert im Rahmen von SPEM
Schüler*innen der igis besuchen ein Doppel-Konzert im Stadtgarten

Silvia Krieger

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Schüler*innen der sechsten Klasse der Integrierten Gesamtschule Köln Innenstadt (igis) bekamen am 7. Dezember 2021 im Stadtgarten die Möglichkeit, einem besonderen Doppel-Konzert zu lauschen und dieses vor allem selbst interaktiv mitzugestalten.

Dies erfolgte im Rahmen einer Kooperation der Offenen Jazz Haus Schule (OJHS) und des Künstler*innen-Förderprogramms NICA artist developement, angeknüpft an das SPEM-Programm (SPEM = Schulprofil Populäre und Experimentelle Musik), welches die igis und die OJHS seit 2019 gemeinsam durchführen. Die gemeinsame Konzertaktion für Kinder im Rahmen des NICA-Programms mit der OJHS ist als Pilotprojekt ein weiterer Schritt den Stadtgarten als Europäisches Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik auch auf dem Gebiet der Musikvermittlung zu entwickeln. Das Konzert in Verbindung mit dem SPEM-Programm durchzuführen, bot sich besonders gut an.

Das SPEM-Musikprofil ist mit seinen künstlerisch-inhaltlichen Schwerpunkten, der explizit inklusiven Haltung und der Verortung Gesamtschule einmalig in der Kölner Bildungslandschaft. Im Zuge des Programmes bekommen alle interessierten Schüler*innen der igis die Möglichkeit, sich musikalisch auszuprobieren und zu entwickeln, und das unabhängig ihrer persönlichen und sozioökonomischen Voraussetzungen. Der Fokus liegt dabei auf populärer und experimenteller Musik. Gefördert wird das SPEM-Profil durch die Stadt Köln, die Wilde-Kinder-Stiftung und die JaBe-Stiftung.

211207 Giw mit Kindern
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Die Schüler*innen des Jahrgangs sechs haben dabei im Zuge des „SPEM-Fachs“ einmal wöchentlich die Gelegenheit, kreativ und partizipativ ihre Musik zu gestalten - zusammen mit Musiker*innen der freien Musik und Tanz-Szene der Stadt, die als Dozierende der Offenen Jazz Haus Schule an die Schule kommen. Das Konzert im Stadtgarten konnte hierfür eine lehrreiche Ergänzung sein, da es an die Erfahrungen, die die Kinder im Unterricht bereits sammeln konnten, anknüpfen und dabei neue Eindrücke schaffen konnte.

Das Ziel dabei war es, die große Bandbreite und Diversität des (zeitgenössischen) Jazz und deren Interpret*innen zu vermitteln und greifbar zu machen, besonders auch durch den direkten Kontakt zu den Musiker*innen und die Interaktion. Dabei sollte vor allem ein Austausch zwischen Schüler*innen und Künstler*innen stattfinden, der möglichst frei von Hierarchien ist und in dem ein gemeinsamer und nicht nur einseitiger Lernprozess erfolgen kann. Für diesen direkten Austausch war es auch wichtig, dass es keine Moderation durch eine dritte Partei gab.

Die Kinder wurden für das Konzert in zwei Gruppen mit jeweils etwa zwölf Schüler*innen eingeteilt, denn es bestand aus zwei Acts, welche die beiden Gruppen in gegensätzlicher Reihenfolge bestaunen durften. Zwischen den Acts gab es eine Führung durch den Stadtgarten sowie eine Trinkpause im Backstagebereich. Die beiden Konzertteile waren auf jeweils 30 Minuten angesetzt und beinhalteten sowohl musikalische Impulse als auch Raum, um Fragen zu stellen.

Bewusst wurde sich bei den beiden Acts für einen Solisten und eine Band entschieden, um sowohl Solo-Improvisation und die Nutzung diverser Effekte als auch musikalische Interaktion und Zusammenspiel einzubringen. Somit standen zum einen der Trompeter Pablo Giw (seit 2019 geförderter NICA Artist) und zum anderen die Studentin der Hochschule für Musik und Tanz Ursula Wienken mit ihrem „URS Quartett“ für die Kinder auf der Bühne. Das URS Quartett besteht aus Jakob Görris (Schlagzeug), Moritz Petersen (Klavier), Frederik Hesse (Flügelhorn) und Ursula Wienken (Kontrabass). Wienken und Görris sind Alumni der Offenen Jazz Haus Schule.

Pablo Giws Darbietung fand im Klub JAKI statt, das URS Quartett bespielte den Saal des Stadtgartens. Auch die unterschiedlichen Räumlichkeiten trugen zur Wirkung der Acts bei, denn das Setting im JAKI war durch die fast ebenerdige Bühne und die Nähe der Sitzplätze zu ebendieser ein deutlich intimeres als im Saal. Dafür war der Saal mit hoher Bühne und professioneller Beleuchtung sehr eindrucksvoll, was die Kinder begeisterte.

„Es fühlte sich so an, als ob der Fokus des Publikums nicht selbstverständlich war, als ob ich mir diesen‚ verdienen bzw. die Magie auf der Bühne bewusst und aktiv erzeugen musste. Dies war vor allem interessant, als ich begann, die Kinder direkt anzuspielen oder anzuschauen, also klarzumachen, dass ich speziell für sie als Individuen spiele. Hier merkte ich, dass sie überhaupt keine Angst vor Blickkontakt hatten und dass dadurch auch nochmal mehr Intensität und Aufmerksamkeit entstand, ich glaube, weil gerade dadurch klar wurde, dass es mir wichtig war, dass genau dieses Kind, das ich gerade anschaute, anwesend war.“ _Pablo Giw

Giws Performance wechselte zwischen kurzen musikalischen Improvisationen und Gesprächsphasen mit den Kindern. Dabei setzte er viele verschiedene elektronische Effektgeräte ein, ging auf die Ideen der Kinder ein und sorgte für eine komplexe Klangästhetik in einer Weise, wie man sie von einer Trompete eher nicht erwartet. Auch erklärte er den Kindern, wie diese Klänge erzeugt werden, und lud die Schüler*innen dazu ein, die Effekte selbst auszuprobieren. Die Kinder zeigten sich sehr offen, interessiert und kreativ. Es war ein spürbarer Unterschied, dass Giw nicht als Lehrer, sondern als Musiker mit ihnen interagierte. Die Interaktion machte einen ganz entscheidenden Punkt für die Aufmerksamkeit der Kinder aus.

„Wie schaffen wir es, dass die Wand zwischen Bühne und Publikum zu einer Brücke wird? Oder sogar zu einem Raum verschmilzt? Am meisten habe ich das gemerkt, als wir mit einem Kind zusammen auf der Bühne standen und gemeinsam einen Moment der Interaktion geschaffen haben. Der Ort des Zusammeninteragierens, der da entstanden ist, zeigte, wie ausschlaggebend die Anwesenheit jeder einzelnen Akteurin/jedes einzelnen Akteurs war.“ _Ursula Wienken

Auch das URS Quartett präsentierte kurze musikalische Stücke, trat zwischen diesen in den Dialog mit den Kindern und ging sehr nahbar auf diese ein. Zusammenspiel und musikalische Interaktion waren hierbei das Hauptthema. Die Kinder machten sehr genaue Beobachtungen, und es gab einige überraschend ausgereifte Beiträge ihrerseits. Man merkte ein hohes Interesse, vor allem auch für die Musikinstrumente. Schließlich durften einzelne Kinder auf die Bühne kommen und das Quartett darin dirigieren, wer im Laufe des Stückes gleichzeitig spielen soll. Das wurde von den Kindern sehr gut angenommen. Die Interaktion zeigte sich auch hier als Schlüssel, um die unsichtbare Grenze zwischen Künstler*innen und Publikum zu überwinden.

Das Konzert wurde als eindeutige Bereicherung des SPEM-Programms empfunden, der Wunsch nach Weiterführung und Weiterentwicklung dieses Konzepts besteht sowohl seitens der Kinder, der Künstler*innen als auch der Initiator*innen.

Abschließend noch ein paar Eindrücke von Mitwirkenden:

„Mein erster Eindruck war, dass die Kinder mir und der Situation gegenüber unglaublich offen waren, wenn auch den unterschiedlichen Charakteren entsprechend jeweils eher zurückhaltend oder direkt und spontan.“ _Pablo Giw

„Wir hatten im Quartett den Eindruck, dass das Erlebnis, so eine Musik zu hören, Interaktion der Musiker*innen zu erfahren, Instrumente zu beobachten und echte Menschen, die etwas gemeinsam schaffen, dadurch kennenzulernen, Neugierde und Aufmerksamkeit in den Kindern geweckt hat.“ _Ursula Wienken

„Aus Künstlerinnen-Perspektive war es für mich sehr neu, mit einem besonders ehrlichen, jungen und‚ unerfahrenen Publikum konfrontiert zu werden. Jedem Kind beim Spielen nah in die Augen schauen zu können und uns als Jazzbegeisterte Personen zu präsentieren, war eine Erfahrung, die mir nochmals gezeigt hat, dass diese Musik weitaus mehr ist, als nur in geschlossenen Jazzkreisen gespielt zu werden. Gedanklich versetzt man sich da auch mal kurz in ein eben solches Sechstklässler-Kind, das vielleicht zum ersten Mal so eine Art‚ Konzert erlebt. Wie wirken wir auf so jemanden?“ _Ursula Wienken

„Ich denke, dass das Konzert für die Kinder, aber auch für die Künstler*innen eine wertvolle Erfahrung war. Meiner Meinung nach ist das Konzept stimmig und sollte unbedingt weitergeführt und -entwickelt werden. In Zukunft könnte es zum Beispiel reizvoll sein, dass die Künstler*innen nach oder vor dem Konzert den SPEM-Fach-Unterricht besuchen und einen musikpädagogischen Impuls mit den Kindern realisieren. Eine intensivere Vor- und Nachbereitung mit der Klasse ist sicherlich auch sinnvoll, vor allem sollte eine stärkere Einbindung der Tutor*innen angestrebt werden.“ _Martin Sladek (Pädagogische Leitung SPEM)

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Silvia Krieger

Silvia Krieger studiert Kulturpädagogik an der Hochschule Niederrhein. Aktuell absolviert sie im Rahmen ihres Studiums ein Praktikum an der Offenen Jazz Haus Schule.